Berufstätige Frauen? Hatten Seltenheitswert in den Anfangsjahren des RKW. Die Wirtschaft war eine Männergesellschaft. Das änderte sich erst ganz allmählich in den letzten Jahrzehnten.

Rund 200 Männer gehörten 1925 dem RKW Kuratorium an – und eine einzige Frau: Charlotte Mühsam-Werter von der Zentrale der deutschen Hausfrauenvereine von Groß-Berlin. Das zeigt sehr deutlich, dass berufstätige Frauen nicht in das Weltbild des alten RKW passten. Allerdings waren sie davon überzeugt, dass die Rationalisierungsbewegung sich auch auf den Haushalt erstrecken müsste. Daher gab es vor dem Krieg und wieder danach eine Rationalisierungs-Gemeinschaft Hauswirtschaft, selbstverständlich von einem Mann geleitet, der dann in Broschüren den Frauen erklärte, wie man rationell wäscht ...

Aufhalten konnte das RKW die Berufstätigkeit der Frauen aber nicht, auch wenn das immer nur als "Notlösung" angesehen wurde, wenn eine (verheiratete) Frau ihren Lebensunterhalt selbst verdienen musste.

"Mit Teilzeitarbeit lockt die Industrie die Hausfrau"

titelte die BILD-Zeitung 1961.  Diese Form der Arbeit – Vier-Stunden-Tag – war eine echte Innovation, die das RKW seit etwa 1955 befürwortete. Denn sie ermöglichte das Arbeitskräftepotenzial der Frauen zu heben, was angesichts des großen Arbeitskräftemangels in der Bundesrepublik notwendig war. Gleichzeitig stellte diese Form von Berufstätigkeit nicht in Frage, dass die verheirateten Frauen in erster Linie Hausfrauen- und Familienpflichten hatten.

Die Rationalisierungs-Gemeinschaft Mensch und Arbeit hatte einen Arbeitskreis zur "Frauenberufsarbeit" eingerichtet, der 1958 diese "vordringlichen" Probleme bearbeitete (RKW-Geschäftsbericht 1957/58, S.50)

  • der berufliche Aufstieg der Frauen
  • Frauen als Vorgesetzte
  • Rentabilität der beruflichen Ausbildung weiblicher Arbeitskräfte
  • Verbesserung der Bedingungen am Arbeitsplatz

Zehn Jahre später rückten die Wiedereinsteigerinnen in den Blick. Die Fragen waren, wie ihr Erfahrungsverlust ausgeglichen und ihre Qualifizierung rationell aktualisiert werden könnte. Denn es müsse darum gehen, dass sie "nicht nur Hilfsdienste oder einfache angelernte Tätigkeiten" ausführten (Rationalisierung 8/1966, S. 185)

Frauen als Führungskräfte, Karrierechancen oder auch Wiedereinsteigerinnen, die heute oft noch unterhalb ihrer Qualifikation arbeiten – die Themen sind also aktuell seit fast 70 Jahren. Auch die Widerstände sind noch nicht völlig überwunden.

Widerstände gegen die Frauenerwerbsarbeit

Die Frauen entwickelten mehr und mehr eine "Lust am Zuverdienen" und wollten arbeiten, auch wenn sie nicht "mussten".  Aber sie trafen zunächst auf viele Widerstände: Männer sorgten sich um ihre unangefochtetene Stellung als "Ernährer der Familie". Die Arbeitsverwaltung unterstützte Teilzeit nicht, das Familien- und Steuerrecht baute Hürden auf. Gewerkschaften befürchteten, dass auch Männer die Arbeitszeit reduzieren wollten, wenn die Teilzeit sich durchsetzte. Hausfrauenverbände stellten in Frage, ob sich Frauenerwerbstätigkeit überhaupt lohne. Schließlich sei ein Mehrpersonenhaushalt preiswerter zu beköstigen, wenn die Hausfrau selbst kocht statt teure Dosenkost und Schnellgerichte zu servieren.

Auch das RKW wünschte zwar die Frauen als Arbeitskräfte einzubinden und verkündete 1956, dass es Arbeiten gäbe, die man "den Männern nicht zumuten kann" wie das Wickeln von Motoren. Aber es gab auch Vorbehalte. Die Rationalisierungs-Gemeinschaft Mensch und Arbeit des RKW sorgte sich um die "Überforderung der weiblichen Erwerbstätigen". Dem könnten die Betriebe entgegenwirken durch die Anpassung des Betriebes "an die leiblich-seelische Struktur der Frau". Immerhin hatten Gynäkologen bestätigt, dass berufstätige Frauen nicht öfter an gynäkologischen Erkrankungen leiden würden als nicht-berufstätige (Rationalisierung 6/1956, S. 165). 1961 ließ das RKW untersuchen, wie weit Teilzeit verbreitet war. Im Handel kam die Studie auf 12 Prozent, in der Industrie auf rund 4 Prozent. 

Das RKW warb für die Frauen-Teilzeit nicht zuletzt, weil die Betriebe dadurch Flexibilität gewönnen. Die Industrie reagierte mit speziellen "Hausfrauenschichten", beispielsweise in den Abendstunden oder auch saisonal, wie bei der Bahlsen Keksfabrik für das Weihnachtsgeschäft. Tatsächlich wurden diese Hausfrauenschichten als erste wieder abgeschafft, als die Konjunktur 1966/67 schwächelte. Das Argument: Die Frauen würden ja eh nur "zuverdienen", daher sei es für die Familien zu verkraften, wenn diese Einkommen wegfielen.

Frauen immer noch in der Minderheit

Vor allem in Führungspositionen haben die Männer immer noch die Nase vorn. Darum hat das RKW beispielsweise vor ein paar Jahren untersucht, wie Frauen besser gefördert werden können.

Und zurück zum Ausgang: Heute beträgt der Anteil von Frauen in den Gremien des RKW etwa ein Drittel. Bei den Führungskräften dauerte es bis 1994, ehe eine Frau in Führungsposition kam, Bettina Ardelt als  Geschäftsführerin des RKW Hessen. Aktuell werden drei Organisationseinheiten von Frauen geleitet: Das RKW Kompetenzzentrum von Christi Degen, das RKW Niedersachsen von Monika Opitz und das RKW Sachsen-Anhalt von Heidi Werner.

Literatur: Christine von Oertzen (1999): Teilzeitarbeit und die Lust am Zuverdienen, Göttingen

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